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Montag, 4. März 2013

Kolumbien – etwas Geschichte, etwas Landschaft und viel Geduld


Hardfacts:
Einwohner: 28. Platz (46,4 Mio.)
Größe: 25. Platz (so groß wie Portugal, Spanien und Frankreich) 
Hauptstadt: Bogota
BIP: 33. Platz
BIP/Kopf: 76. Platz
Lebenserwartung: 73,4 Jahre
Regierungsform: Präsidialrepublik
Religion: 90% Christen, 8% Protestanten, 2% Atheisten
Nachbarländer: Panama, Venezuela, Brasilien, Peru und Ecuador
Nationalsport: Fußball und Radsport
Bekannte Persönlichkeiten: Simon Bolivar, Pablo Escobar (berüchtigster Drogenbaron), Carlos Valderrama
Rekorde: weltgrößter Kokainproduzent, kleinster Mann der Welt (70cm)
Kurios: keine Straße –>kein Sex – die Frauen wissen sich zu helfen; das Land ist nach Christoph Kolumbus benannt, obwohl er es weder entdeckt hat noch einen Fuß drauf setzte;


Wenn Kolumbianer über Land und Leute ihrer Heimat erzählen, das tun sie sehr gerne (und lange), erfährt man so einiges. Meist geht es um die Vorzüge der wirklich abwechslungsreichen Landschaften, wie man zu diesen kommt, ansonsten erläutern sie die Situation von Wirtschaft, Politik oder Korruption und das stets mit einer Brise Humor.
Wenn man im Duden das Wort 'sympathisch' nachschlägt, wird wahrscheinlich ein(e) KolumbianerIn abgebildet sein.


Dank des Präsidenten, der das Land mit eiserner Hand regiert, ist die Sicherheit kein Thema mehr. Mit Ausnahme des Südens und des Nordosten hat man die paramilitärische FARC zurückgedrängt, dezimiert und unter 'Kontrolle'.
Das war nicht immer so. In der Geschichte des Landes wurde viel Blut vergossen.
Von den Unabhängigkeitskämpfen angeführt von Simon Bolivar, über mehrere Bürgerkriege bis hin zu den Drogenkriegen.
Bei der Thematik Kokain steht man ziemlich in der Zwickmühle. Die USA, wo 90% des jährlichen Outputs weggeschnupft werden, übt viel Druck auf die Regierung aus, um den Anbau zu unterbinden. Viele US-Dollars, eine Militärausbildung und jede Menge 'Anti-Coca-Pestizide' kommen aus den Staaten. Allerdings hängen auch Unmengen an Arbeitsplätze direkt und indirekt an diesem Gewerbe. 410 Tonnen werden jährlich angebaut, geerntet, aufbereitet, transportiert, geschmuggelt und verkauft.
Neben der Kokainproduktion spielt die Nahrungsmittel- und Textilindustrie eine große Rolle. Auch Dank vieler Rohstoffe wie Smaragde, Kohle, Erdöl und Nickel wächst die robuste kolumbianische Wirtschaft kontinuierlich Jahr für Jahr. Das hat auch mittlerweile die EU erkannt und hat mit dem Land ein Freihandelsabkommen im Dezember 2012 unterzeichnet.

Bei den Dingen die man bis 60 erledigen sollte, können wir einen Punkt mehr abhaken.
Eine Grenze zu Fuß überqueren. In unserem Fall war es die Grenzbrücke Ecuador – Kolumbien. Bis auf ein paar Beamte waren wir komplett allein. Ebenso bei der freundlichen Grenzbeamtin. Ebenso bei der Fahrt in das nächste Dorf. Erst bei der Busfahrt in die nächstgrößere Stadt, gesellten sich ein paar Kolumbianer und 2 Kanadier dazu.
In der verschlafenen Andenstadt Pasto gab es noch nicht so viel zu tun, außer einer verregneten Stipvisite der Laguna de la Cocha auf 3000m Höhe.

In der wunderschönen Kolonialstadt Popayan war das schon etwas anderes. Natürlich stand eine ausgiebige Stadtbesichtigung inklusive Verkostung des ganzen Stolzes Kolumbiens auf dem Programm. Nein nicht Kokain! Kaffee – die besten und hochwertigsten Bohnen der Welt wachsen in Kolumbien. Begünstigt durch die Höhe und Nähe zum Äquator gedeihen hier wahre Wunderbohnen. Der einzige Wermutstropfen ist, dass das Beste vom Besten exportiert wird und es manchmal durchaus schwierig ist, einen leckeren Espresso zu finden.
Wie bei uns Himbeersträucher hat jeder am Land seine eigenen Kaffeesträucher im Garten und der servierte Frühstückskaffee ist dann ein wahrer Hochgenuss. Die Kunst des Kaffeeröstens über offenen Feuer konnten wir bereits erlernen.

Von Popayan aus unternahmen wir, nur mit den kleinen Rucksäcken bestückt, eine 6-Tagestour um die historischen Ausgrabungen rund um die Dörfer San Augustin, Tierradentro und die nicht historische Desierto de la Tatacoa zu besichtigen.

In den Gegenden um San Augustin und Tierradentro lebten ab dem 6 Jahrhundert v. Chr. bis zur Ankunft der Spanier eine mysteriöse Ackerbaukultur von denen eigentlich so gut wie nichts bekannt ist bis auf den hoch entwickelten Totenkult.
Zahlreiche Schachtgräber die über 5 Meter in die Felsen getrieben wurden dienten zur Aufbewahrung der Urnen. Zahlreichen monumentalen Steinskulpturen mit Götter- und Dämonendarstellungen standen in unmittelbarer Nähe zu den jeweiligen Ausgrabungen. Nachdem wir im Museum begutachten konnten, mit welchem primitiven Steinwerkzeug die Grabhöhlen in den Fels gegraben wurden, konnten wir uns in etwa vorstellen wie lange man da arbeitet.

Da die Ausgrabungsstätten in San Augustin sehr weit auseinander langen, sahen wir uns um ein geeignetes Fortbewegungsmittel um. Kurze Zeit später saßen wir schon jeder auf einem Pferd und jagten über Stock und Stein durch die atemberaubende Gegend. Oft konnte man nicht sagen, wer mit wem ritt, denn die Pferde taten nicht immer was man ihnen befahl.
Mit unserem fachkundigen Führer und Pferdezüchter Juan verbrachten wir einige interessante Stunden im Nirgendwo. Neben der mysteriösen Kultur erfuhren wir noch so einiges über den Kaffeeanbau und den Kaffeebauern, von denen eine Vielzahl vor einigen Jahren noch Cocabauern waren.

In Tierradentro konnten wir keine Pferde chartern, denn der 14km lange Rundweg, war teilweise so steil, dass man zu Fuß gehen musste. Auf dem Alto de Aguacate, dem höchsten Punkt des Weges mit den höchsten Ausgrabungen, hatte man einen fabelhaften Rundblick auf die umliegenden Andendörfer.
In den beiden Unterkünften bekamen wir stets den Frühstückkaffee mit Bohnen aus dem eigenen Garten traditionell aufgebrüht. Falls eines Tages die Kaffeevollautomaten Kolumbien erobern, dann würde man nie wieder etwas anderes trinken wollen.


Die kleine Tatacoa Wüste ist eigentlich gar keine Wüste. Wissenschaftlich gesehen ist es ein tropischer Trockenwald mit geringem Niederschlag. Sie erinnerte uns sehr an das australische Outback. Die rot-leuchtende Canyonlandschaft mit den Kakteen, mit der absoluten Stille und dem nächtlichen beeindruckenden Sternenhimmel. Die Sterne wirkten zum Greifen nahe.


Nach einer schweißtreibenden Wanderung zu natürlichen Quellen, konnte man sich mit Cerveza oder einem Sprung ins Nass abkühlen. Oder wie wir mit beidem gleichzeitig.


Schließlich und endlich ging es nach der Woche wieder zurück nach Popayan um unser restliches Gepäck zu holen. Auf der Busfahrt dorthin schwante uns schön Böses. Die Bestätigung erhielten wir bereits am Busbahnhof von Popayan. Sämtliche Verbindungen in den Norden waren mittels Straßensperren blockiert. Insgesamt mehr als 20 Blockaden waren/sind im ganzen Land verteilt. Verantwortlich für diese sind die hiesigen Kaffeebauern, die mit der aktuellen Lage des niedrigen Weltmarktpreises für ihr Produkt und der geringen Anhebung der Subventionen seitens der kolumbianischen Regierung nicht zufrieden waren/sind. Da die Regierung auf die utopischen Forderungen nicht eingehen wolle, dachten sich die Protagonisten: 'die Ernte ist vorbei, wir haben Zeit – streiken wir einfach mal'!


Nun darf man sich einen Streik in Kolumbien nicht wie einen in Europa vorstellen. Normalerweise legt die betroffene Interessengemeinschaft die Arbeit für eine bestimmte oder unbestimmte Periode nieder, um aufzuzeigen wie wichtig man für die Allgemeinheit ist. Da wahrscheinlich eine streikende Kaffeebranche niemanden auf der Welt interessiert (Ecuador exportiert auch guten Kaffee, sogar nach Kolumbien), musste man sich etwas Besonderes einfallen lassen damit man die Aufmerksamkeit aller darauf lenken würde. Und sie waren extrem erfolgreich.
So installierte man seit Ende Februar an strategischen Verkehrsknotenpunkten Straßenblockaden, um den Verkehr im Land komplett lahm zu legen. Nun, das ist nicht wirklich schwer, denn es gibt nur 1½ Nord-Süd-Verbindungen.
Eine beispiellose Aktion, die das Land in Zukunft sicher öfters erleben wird. Denn jede kleine Gruppierung weiß nun wie man Aufmerksamkeit erregt und seine Forderungen erpressen kann, oder auch nicht.

In unserer Stadt Popayan wurde die Situation schnell zum regionalen Problem. Zum einen kamen wir und andere nicht weg und andere, wie beispielsweise Transporte, nicht her. So war innerhalb kürzester Zeit kein Treibstoff, Obst und Gemüse, Milch, große Wassergebinde und vieles mehr nicht mehr verfügbar.
Der gesamtwirtschaftliche Schaden wurde noch nicht beziffert, dürfte aber beträchtlich sein. Neben den großen Unternehmen traf es vor allem viele Kleinbauern, denen die Ware im LKW verfaulte.



 Da half nach einer Woche (nur Mountainbiken wird auch langweilig) nur mehr die teure Flucht mit dem Flugzeug in die Hauptstadt Bogota um zu sehen, wohin man ohne Probleme weiterreisen konnte.






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